Frankreich

  • Frankreich: Klage gegen ethnisches Profiling wegen systemischer Rassendiskriminierung eingereicht

    Frankreich hat es versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das ethnische Profiling durch die Polizei bei Identitätskontrollen zu verhindern und zu beheben, eine Form der systemischen Diskriminierung, sechs französische und internationale Menschenrechtsorganisationen sagten heute, eine Sammelklage gegen den französischen Staat einzureichen.

    Antoine Lyon-Caen, Rechtsanwalt vor dem französischen Staatsrat und Kassationsgericht, führte den Fall im Namen des Maison Communautaire pour un Dévelopement Solidaire (Community House for Solidarity Development — MCDS), Pazapas, Réseau Egalité, Antidiskriminierung, Justiz Interdisziplinär (Gleichstellung, Antidiskriminierung, Interdisziplinäres Justiznetzwerk – Reaji), Amnesty International Frankreich, Human Rights Watch und Open Society Justice Initiative.

    Die Organisationen begannen das Verfahren im Januar 2021, als sie ein Aufforderungsschreiben an den Ministerpräsidenten, den Innenminister und den Justizminister schickten, um auf Strukturreformen und konkrete Maßnahmen zu drängen, um diskriminierende Polizeipraktiken zu beenden, ein Problem, das vom Präsidenten der Republik anerkannt wurde. Die Behörden reagierten in der im Rahmen des Sammelklageverfahrens vorgesehenen Viermonatsfrist nicht. Ihr Schweigen sei für die täglichen Opfer dieser diskriminierenden Praktiken besonders schmerzhaft, so die Organisationen.

    Die Sammelklage ist ein innovatives Verfahren nach französischem Recht, das es zivilgesellschaftlichen Gruppen ermöglicht, das Gericht zu ersuchen, die Behörden aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen, um der weit verbreiteten illegalen Praxis des ethnischen Profilings ein Ende zu setzen.

    Die Fraktionen fordern den Staatsrat auf, den französischen Staat zu verschulden, weil er es versäumt hat, eine weitverbreitete Verwendung ethnischer Profilings durch die Polizei zu verhindern und die Behörden anzuordnen, die notwendigen Reformen durchzuführen, darunter:

    • Änderung der Befugnisse zur Identitätskontrolle, um Diskriminierungen bei Identitätskontrollen ausdrücklich zu verbieten, präventive Identitätskontrollen abzuschaffen und die Polizeibehörde zu begrenzen, um sicherzustellen, dass alle Identitätskontrollen, einschließlich solcher, die auf Anordnungen einer Staatsanwaltschaft beruhen, auf objektiven und individuellen Gründen beruhen;
    • Spezifische Vorschriften und Anweisungen für die Einstellung von Kindern zu erlassen;
    • Ein System zur Aufzeichnung und Auswertung von Daten über Identitätskontrollen und zur Bereitstellung eines Stopps für die eingestellten Personen einzurichten;
    • Schaffung eines wirksamen und unabhängigen Beschwerdeverfahrens; und
    • Änderung der institutionellen Ziele, Leitlinien und Ausbildung der Polizei, auch im Hinblick auf die Interaktion mit der Öffentlichkeit.

     

    Die richtungsweisende Klage kommt nach Jahren der Untätigkeit der französischen Behörden, die es erlaubt haben, die rechtswidrigen Praktiken fortzusetzen, was eine erhebliche Zahl von Menschen betrifft. Der Fall stützt sich auf wichtige Beweise dafür, dass die Polizei auf der Grundlage physischer Merkmale, die mit einer tatsächlichen oder vermuteten ethnischen oder rassischen Herkunft verbunden sind, ein weitverbreitetes ethnisches Profil betreibt.

    Das Fehlen eines strengen Rechtsrahmens, der rechtliche Nichtdiskriminierungsnormen wahrt, ermöglicht es der Polizei, zu weite Befugnisse zu nutzen, um Identitätskontrollen in diskriminierender Weise durchzuführen. Quantitative Studien haben gezeigt, dass Männer und Jungen, die als Schwarz oder Araber empfunden werden, unverhältnismäßig stark auf Stop-and-risk-Maßnahmen ausgerichtet sind, während qualitative Berichte die verheerenden Auswirkungen diskriminierender Polizeiarbeit dokumentiert haben, auch auf Kinder ab 12 Jahren.

    Die am 22. Juli eingereichte Rechtsbeschwerde zeigt, wie ethnisches Profiling durch die französische Polizei eine systemische Diskriminierung darstellt, die vom Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als “Rechtsvorschriften, Politiken, Praktiken oder vorherrschende kulturelle Einstellungen im öffentlichen Sektor… definiert wird, die für einige Gruppen relative Nachteile und Privilegien für andere Gruppen schaffen” – und die unzureichende Reaktion des französischen Staates bis heute, um ihr ein Ende zu setzen.

    Die ergriffenen Maßnahmen, die sich als unzureichend erwiesen haben, umfassen die Verwendung von Körperkameras und die Verpflichtung der Polizeibeamten, Ausweisnummern zu tragen. Die Behörden haben alle Versuche, Identitätskontrollen zu erfassen, konsequent abgelehnt und den eingestellten Personen eine Art Aufzeichnung des Verfahrens zur Verfügung gestellt.

     

    Am 28. Juni hat die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Frankreich wegen diskriminierender Polizei in ihrem Bericht über die „Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Afrikaner und der Menschen afrikanischer Abstammung gegen übermäßige Gewaltanwendung und andere Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte“ bezeichnet. In der Vergangenheit haben andere UN— und europäische Behörden die französischen Behörden aufgefordert, diskriminierende Identitätskontrollen zu beenden.

    Am 8. Juni verurteilte das Berufungsgericht Paris erneut den französischen Staat wegen „grossen Fehlverhaltens“ wegen der diskriminierenden Station von drei Studenten in einem Pariser Bahnhof im Jahr 2017, da sie von einer Klassenfahrt zurückkehrten.

    Der Verteidiger der Rechte hat wiederholt diskriminierende Identitätskontrollen kritisiert und eine Reform gefordert. Im Jahr 2016 entschied der Kassationsgerichtshof, dass die Polizeistillstände von drei jungen Männern im Jahr 2011 Diskriminierung darstellten und „grosses Fehlverhalten, das die Verantwortung des Staates trägt“.

    Der Staatsrat hat die Befugnis, den Staat anzuordnen, diese stigmatisierenden, erniedrigenden und erniedrigenden Praktiken zu beenden, sagten die Organisationen.

     

  • Northern France: in the midst of the health crisis, migrants’ rights defenders are still harassed

    In the context of the Covid-19 health crisis, human rights defenders play a crucial role in ensuring that the fight against the pandemic is respectful of the rights of all. However, at the Franco-British border, those assisting migrants continue to face harassment and intimidation by the French authorities. We call for an immediate end to abusive practices against them.

    Undignified living conditions and lack of protection for exiled persons

    Since the beginning of the health crisis in France, evictions from informal settlements have continued in the north of France, leaving the exiled in total destitution. Between March and April 2020, the Human Rights Observers team counted 180 evictions from camps in Calais and 12 in Grande-Synthe. According to local associations, these evictions were accompanied by the seizure of tents and personal belongings (sleeping bags, blankets, backpacks, telephones), but also by violence and excessive use of force by the police.

    Following requests from Amnesty International France and the many associations working on the ground, shelter operations and some humanitarian assistance measures were belatedly put in place. However, many people in exile continue to live in undignified conditions, without any measures to protect them from the virus. More than 1,000 exiled people are still living in informal settlements in Calais and about 600 in Grande-Synthe.

    Fines, identity checks, police arrests: intimidation of caregivers continues

    In this context, the people who come to the aid of the exiles present in Calais and Grande-Synthe have an essential role to play: they provide essential humanitarian assistance, report the violence and abuses observed, particularly during the evictions, and call on the public authorities to take measures to protect people who are already marginalized. Yet, instead of being supported, volunteers on the ground continue to be harassed and intimidated by law enforcement officials.

    In Calais and Grande-Synthe, for example, Human Rights Observers recorded 37 citations issued mainly for non-compliance with containment measures between 17 March and 11 May 2020. The volunteers who were fined were either on their way or present at the exiles’ side, people who would apparently not be “vulnerable enough” in the eyes of the authorities to be subject to an exemption, even though this was specified in the certificate of movement.

    In Grande-Synthe, four members of the association Utopia 56 were arrested and placed in police custody on 24 April while they were documenting the violent evacuation of a camp of exiled people by the forces of law and order. The four volunteers spent the whole day in police custody on charges of “undermining the authority of justice by discrediting a court decision” and “complicity in endangering the lives of others by inciting the exiles to go to the highway”. The four volunteers finally went out in the evening without any charges having been brought against them to date.

    Moreover, while they are only observing often tense or violent situations in order to report potential criminal acts by the police, the volunteers have reportedly been filmed several times by the police and ordered to leave the operation perimeter. According to local associations, they are also regularly subjected to identity and vehicle checks.

    No action taken to stop these abusive practices

    The French authorities must not use the pretext of the restrictions imposed as a consequence of the pandemic to restrict the right to defend migrants’ rights and hinder the work of carers in the north of France. On the contrary, they must recognise that the defence of fundamental rights is all the more essential in the context of the state of health emergency, which allows for the adoption of measures restricting freedoms, and ensure that all carers can act without fear of intimidation.

    While we have been alerting to this situation for almost a year, no such measures have yet been taken. The French authorities must also condemn any attempt to delegitimise the work of carers and thoroughly and impartially investigate all reported abuses in Calais and Grande-Synthe.


    Nord-Frankreich inmitten der Gesundheitskrise werden Verteidiger_innen der Rechte Von Migrant_innen weiterhin schikaniert

    Im Zusammenhang mit der durch Covid-19 ausgelösten Gesundheitskrise spielen Menschenrechtsverteidiger_innen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht sicherzustellen, dass im Kampf gegen die Pandemie die Rechte aller geachtet werden. An der französisch-britischen Grenze sind jene Menschen, die den dort lebenden Migrant_innen helfen, jedoch weiterhin Schikanen und Einschüchterungen durch die französischen Behörden ausgesetzt. Wir fordern ein sofortiges Ende der missbräuchlichen Praktiken gegen sie.

    Unwürdige Lebensbedingungen und fehlender Schutz für Geflüchtete

    Seit Beginn der Gesundheitskrise in Frankreich gehen die Vertreibungen aus den informellen Siedlungen in Nordfrankreich weiter und lassen die dort lebenden Menschen in völliger Armut zurück. Zwischen März und April 2020 zählte das Team von Human Rights Observers 180 Vertreibungen aus Lagern in Calais und 12 in Grande-Synthe. Nach Angaben lokaler Verbände gingen diese Vertreibungen mit der Beschlagnahme von Zelten und persönlichen Gegenständen (Schlafsäcke, Decken, Rucksäcke, Telefone), aber auch mit einer exzessiven Anwendung von Gewalt durch die Polizei einher.

    Auf die Forderungen von Amnesty International Frankreich und der zahlreichen vor Ort tätigen Verbände hin wurden die Maßnahmen zur Bereitstellung von Unterkünften und einige humanitäre Hilfsmaßnahmen verspätet in die Wege geleitet. Viele Geflüchtete leben jedoch weiterhin unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne jegliche Schutzmaßnahmen gegen das Virus. Mehr als 1.000 Migrant_innen leben noch immer in informellen Siedlungen in Calais und etwa 600 in Grande-Synthe.

    Geldstrafen, Ausweiskontrollen, Verhaftungen: Einschüchterung von Helfer_innen geht weiter

    In diesem Zusammenhang kommt den Menschen, die den in Calais und Grande-Synthe anwesenden Geflüchteten zu Hilfe kommen, eine wesentliche Rolle zu: Sie leisten unverzichtbare humanitäre Hilfe, berichten über die Gewalt und die Missbräuche, die insbesondere während der Vertreibungen beobachtet wurden, und fordern die staatlichen Behörden auf, Maßnahmen zum Schutz der bereits marginalisierten Menschen zu ergreifen. Doch statt Unterstützung zu erhalten, werden die Freiwilligen vor Ort weiterhin von Polizeibeamt_innen schikaniert und eingeschüchtert.

    In Calais und Grande-Synthe zum Beispiel verzeichneten die Human Rights Observers zwischen dem 17. März und dem 11. Mai 2020 allein 37 gebührenpflichtige Verwarnungen, welche in erster Linie aufgrund der Nichteinhaltung von Quarantänemaßnahmen ausgesprochen worden waren. Die Freiwilligen, gegen die eine Geldstrafe verhängt wurde, waren entweder allein oder an der Seite der Geflüchteten unterwegs – Menschen, die in den Augen der Behörden nicht “schutzbedürftig genug” waren, um einer Ausnahmeregelung zu unterliegen, obwohl dies im Passierschein vorgesehen war.

    In Grande-Synthe wurden am 24. April vier Mitglieder der Vereinigung Utopia 56 verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen, als sie die gewaltsame Evakuierung eines Lagers von Geflüchteten durch die Ordnungskräfte dokumentierten. Die vier Freiwilligen verbrachten den ganzen Tag in Polizeigewahrsam unter dem Vorwurf der “Untergrabung der Autorität der Justiz durch Missachtung eines Gerichtsbeschlusses” und der “Komplizenschaft bei der Gefährdung des Lebens anderer durch Anstiftung der Migrant_innen die Autobahn zu betreten”. Die vier Freiwilligen wurden schließlich am Abend auf freien Fuß gesetzt, ohne dass bisher eine Anklage gegen sie erhoben wurde.

    Obwohl sie oft lediglich angespannte oder gewalttätige Situationen beobachten, um mögliche rechtswidrige Handlungen der Polizei zu melden, wurden die Freiwilligen Berichten zufolge mehrmals von der Polizei gefilmt und angewiesen, das Einsatzgebiet zu verlassen. Nach Angaben lokaler Verbände werden sie zudem regelmäßig Ausweis- und Fahrzeugkontrollen unterzogen.

    Keine Maßnahmen zur Beendigung dieser missbräuchlichen Praktiken ergriffen

    Die französischen Behörden dürfen nicht unter dem Vorwand der im Rahmen der Pandemie auferlegten Beschränkungen die Rechte von Menschenrechtsverteidiger_innen einschränken und die Arbeit der Helfer_innen im Norden Frankreichs behindern. Im Gegenteil, sie müssen anerkennen, dass die Verteidigung der Grundrechte gerade in Zeiten des Gesundheitsnotstands, der die Verabschiedung freiheitsbeschränkender Maßnahmen ermöglicht, umso wichtiger ist. Zudem müssen sie sicherstellen, dass alle Helfer_innen ohne Angst vor Einschüchterung handeln können.

    Obwohl wir seit fast einem Jahr auf diese Situation aufmerksam gemacht haben, wurden bisher noch keine derartigen Maßnahmen ergriffen. Die französischen Behörden müssen auch jeden Versuch verurteilen, die Arbeit der Helfer_innen zu delegitimieren, und alle gemeldeten Missbräuche in Calais

    und Grande-Synthe gründlich und unparteiisch untersuchen.

  • France: Alarming illegal police practices during quarantine

    We have authenticated fifteen videos that show illegal use of force by some law enforcement personnel during the lockdown.

    Racist or homophobic insults, the illegitimate use of force that does not meet the criteria of necessity or proportionality: all these videos illustrate blatant violations of international human rights law.

    Although we do not draw a general conclusion, the seriousness of the facts observed and their repetition in different parts of the country lead us to sound the alarm. These fifteen videos reflect a worrying reality during certain checks and arrests. In many of the cases analysed, violence is exercised as a punitive measure, which is under all circumstances contrary to international law. They call for an immediate, global and concrete reaction by the public authorities.

    For several years we have been alerting to several worrying trends, including the excessive use of force or the use of dangerous techniques.

    This research and video analysis confirms our concerns. It has been carried out with our “Evidence Lab” platform and its team of experts in charge of carrying out in-depth investigations using open access digital resources.

    Beatings as punishment: cruel, inhuman and degrading treatment

    In seven of the videos analysed, one or more members of the law enforcement agencies beat the persons being controlled or arrested: kicking, punching, or using an object. In four situations, these blows were delivered while the persons were on the ground. In all these cases, the blows were not legitimate.

    For example, in Toulouse, during the night of 24-25 April, a man was hit several times on the head, even though he showed no sign of aggression at the time of the events, and he was pinned to the ground. While hitting him with a muzzle, the police officers gave him orders – “Lie down”, “Put your hands behind your back”. Hitting an individual to get him to comply is completely unnecessary and disproportionate. Other means are available, ranging from negotiation to the use of weaker force specifically aimed at achieving the desired objective (searching the person to obtain papers, control techniques to handcuff them). In addition, police officers have used belly slamming, a dangerous technique that creates a risk of fatal asphyxiation. We have already denounced it on many occasions and are asking for its suspension.

    In several cases, it seems that the context prior to the filmed arrest is invoked to justify the blows. In Les Ulis, Sofiane, who was taken to a porch and beaten while lying on the ground, is said to have initially fled the police check. Under no circumstances can it be considered legitimate for law enforcement officials to use force as corporal punishment. Punishment for offences and misdemeanours must be handed down within a legal framework, i.e. by an administrative or judicial court in a fair trial.

    In two videos analysed, the police allegedly used a taser. One of them shows the arrest of a man in Villeneuve Saint Georges, who was checked, pinned down and tasered while he was out repairing his car on 7 April. His medical certificate, to which we had access, states that he was intentionally assaulted. In addition, the taser appears to have been used in “contact” mode, a mode whose only effect is to inflict pain. An illegitimate objective. We recommend that the use of Tasers in contact mode be prohibited.

    Another video among those we analyzed shows the arrest of journalist Taha Bouhafs on April 19 in Villeneuve-la-Garenne, while he was covering, with other colleagues, clashes between law enforcement agencies and young people. The use of force against journalists while they are carrying out their work is particularly worrying because it is an obstacle to press freedom and an attack on freedom of expression.

    Homophobic and racist insults by law enforcement officials

    Two videos analysed allow us to hear police officers make discriminatory insults. In Torcy, on 19 March, a policeman exchanges insults with a neighbour who was observing the scene. The police officer makes homophobic (“faggot”, “baltringue”) and discriminatory (“go back to your country”) remarks.

    On 26 April, on Île-Saint-Denis, a police officer described the person arrested as a “bicot” and indicated that “he should have had a ball and chain attached to his foot” even though the person had just been retrieved from the Seine….

    In the latter case, the French authorities immediately reacted by publicly denouncing the remarks made and suspending the police officers concerned, and the public prosecutor opened an investigation. Discriminatory statements by law enforcement officials have a particularly detrimental impact on respect for human rights as a whole. They run counter to the state’s obligation to combat all forms of discrimination and create a sense of distrust towards the police. Victims may subsequently be less inclined to complain to the police and eventually obtain redress.

    Even if the police officers themselves are insulted by a third party, they should not respond with insults or the use of force. Only threats or physical violence against them can justify the use of force, as a last resort and in a proportionate manner. In all cases, it is up to the justice system through a court of law to decide on the sanction to be imposed.

    All these situations contribute to a loss of confidence in the police and the authorities, which is particularly problematic in the context of the fight against a pandemic. An exclusively repressive approach risks contributing to increased tensions and a rejection of essential public health rules.

    Our recommendations

    The French authorities must give clear instructions to officers deployed in the field to remind them of the conditions for the use of force and the risk of sanctions in the event of failure to comply with this legal framework.

    The authorities must publicly and systematically condemn any situation revealing discriminatory practices or a manifestly illegal use of force by law enforcement officials.

    Independent and impartial investigations should be systematically carried out into allegations of unlawful use of force or discrimination, in order to ensure access to justice for the victims of all such cases.

     


     

    Frankreich: Alarmierende illegale Polizeipraktiken während der Quarantäne

    Amnesty International hat fünfzehn Videos analysiert, welche die illegale Anwendung von Gewalt durch einige Vollzugsbeamt_innen während des Lockdowns zeigen.

    Rassistische oder homophobe Beleidigungen, die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt, welche nicht den Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht: Alle diese Videos veranschaulichen eklatante Verletzungen der internationalen Menschenrechtsnormen.

    Obwohl wir keine allgemeingültigen Schlussfolgerung ziehen können, veranlassen uns die Schwere der beobachteten Taten sowie ihre Wiederholung in verschiedenen Teilen des Landes dazu, Alarm zu schlagen. Diese fünfzehn Videos spiegeln eine beunruhigende Realität bei polizeilichen Kontrollen und Verhaftungen wider. In vielen der analysierten Fälle wird Gewalt als Strafmaßnahme ausgeübt, was unter allen Umständen völkerrechtswidrig ist. Sie erfordern eine sofortige, konkrete und umfassende Reaktion der Behörden.

    Seit mehreren Jahren machen wir auf mehrere beunruhigende Tendenzen aufmerksam, darunter die übermäßige Anwendung von Gewalt oder den Einsatz gefährlicher Technologien.

    Diese Recherche und Videoanalyse bestätigt unsere Bedenken. Sie wurde mit unserer “Evidence Lab”-Plattform und ihrem Expert_innenteam umgesetzt, das für die Durchführung hoch spezialisierter Untersuchungen mit digitalen Open-Access-Ressourcen zuständig ist.

    Schläge als Strafe: grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung

    In sieben der analysierten Videos schlugen ein oder mehrere Polizist_innen die kontrollierten oder verhafteten Personen: mit Fußtritten, Schlägen oder mit einem Gegenstand. In vier Situationen wurden diese Schläge ausgeteilt, während sich die Personen am Boden befanden. In all diesen Fällen waren die Schläge nicht legitim.

    So wurde beispielsweise in Toulouse in der Nacht vom 24. auf den 25. April ein Mann mehrmals auf den Kopf geschlagen, obwohl er zum Zeitpunkt der Ereignisse keine Anzeichen von Aggression zeigte, und er wurde zu Boden gedrückt. Während die Polizist_innen den Mann mit einem Maulkorb schlugen, gaben sie ihm Befehle: “Legen Sie sich hin”, “Hände auf den Rücken”. Eine Person zu schlagen, um sie zur Einhaltung der Vorschriften zu bewegen, ist völlig unnötig und unverhältnismäßig. Es stehen andere, mildere Mittel zur Verfügung, die von Verhandlungen bis zur Anwendung schwächerer, zielgerichteter Gewalt reichen (Durchsuchung der Person, um Papiere zu erhalten, Kontrolltechniken, um ihr Handschellen anzulegen). Darüber hinaus haben Polizeibeamt_innen eine gefährliche Technik, bei der die Person auf dem Bauch liegend auf den Boden gedrückt wird und welche die Gefahr des tödlichen Erstickens birgt. Wir haben sie bereits bei zahlreichen Gelegenheiten angeprangert und fordern ihre Aussetzung.

    In mehreren Fällen werden offenbar die Ereignisse vor der gefilmten Verhaftung angeführt, um die Schläge zu rechtfertigen. In Les Ulis soll Sofiane, der auf eine Veranda gebracht und am Boden liegend geschlagen wurde, zunächst vor der Polizeikontrolle geflohen sein. Unter keinen Umständen kann es als legitim angesehen werden, dass Strafverfolgungsbeamt_innen Gewalt als körperliche Strafe anwenden. Die Bestrafung von Vergehen und Ordnungswidrigkeiten muss innerhalb eines gesetzlichen Rahmens erfolgen, d.h. durch ein Verwaltungs- oder Justizgericht in einem fairen Verfahren.

    In zwei analysierten Videos setzte die Polizei angeblich einen Taser ein. Eines davon zeigt die Verhaftung eines Mannes in Villeneuve Saint Georges, der am 7. April bei der Reparatur seines Autos überprüft, festgehalten und mit einer Elektroschockpistole betäubt wurde. Sein ärztliches Attest, auf das wir Zugriff hatten, belegt, dass er absichtlich angegriffen wurde. Darüber hinaus scheint der Taser im Kontaktmodus verwendet worden zu sein, einem Modus, dessen einzige Wirkung darin besteht, Schmerzen zuzufügen. Ein illegitimes Ziel. Wir empfehlen, die Verwendung von Tasern im Kontaktmodus zu verbieten.

    Ein weiteres Video unter den von uns analysierten zeigt die Verhaftung des Journalisten Taha Bouhafs am 19. April in Villeneuve-la-Garenne, als er zusammen mit anderen Kolleg_innen über Zusammenstöße zwischen Strafverfolgungsbehörden und Jugendlichen berichtete. Die Anwendung von Gewalt gegen Journalist_innen während der Ausübung ihrer Arbeit ist besonders besorgniserregend, weil sie ein Hindernis für die Pressefreiheit und einen Angriff auf die Meinungsfreiheit darstellt.

    Homophobe und rassistische Verunglimpfungen durch Strafverfolgungsbeamte

    Zwei analysierte Videos ermöglichen es uns, Polizeibeamte zu hören, die diskriminierende Beleidigungen aussprechen. In Torcy tauscht ein Polizist am 19. März Beleidigungen mit einem Nachbarn aus, der den Tatort beobachtet. Der Polizeibeamte macht homophobe (“Schwuchtel”, “baltringue”) und diskriminierende (“Geh zurück in dein Land”) Bemerkungen.

    Am 26. April bezeichnete ein Polizeibeamter auf der Île-Saint-Denis die verhaftete Person als “Bikotin” und gab an, dass “er einen Ball und eine Kette an seinem Fuß hätte befestigen lassen sollen”, obwohl die Person gerade aus der Seine geborgen worden war….

    Im letzteren Fall reagierten die französischen Behörden sofort, indem sie die gemachten Äußerungen öffentlich anprangerten und die betreffenden Polizeibeamten suspendierten. Zudem leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung ein. Diskriminierende Äußerungen von Strafverfolgungsbeamt_innen haben besonders nachteilige Auswirkungen auf die Achtung der Menschenrechte als Ganzes. Sie stehen im Widerspruch zur Verpflichtung des Staates, alle Formen der Diskriminierung zu bekämpfen, und erzeugen ein Gefühl des Misstrauens gegenüber der Polizei. Die Opfer sind dann möglicherweise weniger geneigt, sich bei der Polizei zu beschweren und schließlich Wiedergutmachung zu erlangen.

  • Human rights in Europe – review of 2019

    https://www.amnesty-international.be/sites/default/files/fotos/nieuws/europe_report.jpgIn 2019 in the heart of Europe, some states actively sought to erode the independence of the judiciary to avoid state accountability. The European Union continued to outsource border and migration control. Grave human rights risks ensued: tens of thousands of people remained exposed to conflict, violence, torture and an uncertain future in destitute conditions. Those opposing these border and migration control policies frequently faced smear campaigns, harassment, and even administrative and criminal penalties. Increasing numbers of human rights defenders, activists and independent media faced intimidation and prosecution. Expressions of dissent on the streets were often met with a range of restrictive measures and excessive use of force by police. Against this overall backdrop of intolerance and discrimination, minorities and those seeking to defend their rights were met with violence, increasing stigmatization of some communities. Survivors of sexual violence, including rape, continued to face obstacles in accessing justice. While two countries held their first ever Pride parades, there was a roll-back in a number of others on law and policies related to the rights of LGBTI people.

    Downlaod the full report in here: Europe: Human rights in Europe – review of 2019
    (available in Slovak, Czech, French, Greek, Slovenian, Hungarian, Spanish, English, Greek)

  • France: Landmark trial must show that solidarity is not a crime
    A man who gave a car ride to three exhausted asylum-seekers – one of them a teenager – in 2016, must be acquitted of “the crime of solidarity”, said Amnesty International ahead of a landmark appeal hearing tomorrow.

    Pierre-Alain Mannoni’s conviction for “facilitation of irregular stay and circulation” for helping two Eritrean women and a child who had just crossed into France, was overturned by The Court of Cassation in 2018. This decision followed the recognition of the principle of “fraternité” by France’s highest court – the Constitutional Council – which led to a review of French legislation. Today’s new trial will crucially test if the amended law and the courts protect the principle of “fraternité” and ensure that no one is punished simply for helping others for humanitarian purposes.

    “Pierre-Alain Mannoni has been dragged through the courts for more than three years for a simple act of decency. But the significance of today’s trial goes far beyond clearing his name – we hope it will also send a clear message to French authorities that acts of solidarity should never be treated as crimes,” said Maria Serrano, Amnesty International’s Senior Europe Campaigner.

    “While Pierre-Alain Mannoni could still face up to five years in jail, we are confident that he will be acquitted. We call on all French authorities to stop misusing anti-smuggling legislation to target and prosecute people who do not hesitate in assisting those in need before finding out their immigration status.”

    BACKGROUND
     
    Pierre-Alain Mannoni is an engineer from Nice. In October 2016, he decided to drive three exhausted and injured Eritrean women, who had crossed into France through the mountains on foot, to his home, so that they could rest. He was stopped by the French gendarmerie in La Turbie and charged with “facilitation of irregular stay and circulation”.

    An Appeal court in Lyon will review the case on 15 January in light of the new legislation, and will reveal how the principle of fraternity is interpreted by the courts.
    In September 2018, French law was amended following France Constitutional Council’s ruling, declaring that the principle of “fraternité” protects the freedom to help others for humanitarian purposes, regardless of immigration status.

    Amnesty International considers that the law is still flawed and does not prevent from prosecuting acts of solidarity, allowing the judiciary’s interpretation of a person’s motives to help refugees and migrants.

    Amnesty International opposes the criminalization of solidarity and considers that the criminal justice should never be used to punish acts of solidarity.

  • France: Call for suspending the use of rubber bullets fired with the LBD40 and for banning grenades GLI-F4 in the context of policing protests

    According to official statistics, since the beginning of the cycle of protests of the so-called “Yellow Vests” in November 2018, more than 2,200 protesters and 1,500 law enforcement officials have suffered injuries in the context of demonstrations. In March 2019, the IGPN (Inspection Générale de la Police Nationale) and IGGN (Inspection Générale de la Gendarmerie Nationale), the mechanisms tasked to investigate excessive use of force by police officers and gendarmes respectively, were dealing with 83 complaints filed by protesters who had suffered injuries allegedly due to the use by law enforcement officials of kinetic impact projectiles (or rubber bullets, which are fired with the Lanceur des balles de défense LBD 40).

    Source and further information:
    click here

26. August 2019